Es ist Kein Wunder, dass der Mensch schon seit Jahrtausenden auf die geschmacklichen und gesundheitlichen (Folsäure, Vitamine K und C, Magnesium, Calcium und Eisen) Vorteile dieser Amaryllisgewächse setzt. Die Römer brachten die Pflanze denn auch bis ins hohe Nordeuropa, wobei bis heute Frankreich die Haupt-Anbaunation geblieben ist. Von dort - genauer gesagt aus der Gegend der Stadt Solaise in der Nähe von Lyon - kommt die bei Spitzenköchen beliebteste Sorte "Bleu de Solaise", deren obere Blätter sich im Sonnenlicht langsam violett verfärben.
Die Photosynthese ist auch für die unterschiedlichen Färbungen der Pflanze verantwortlich. Der in der Erde steckende Teil bleibt weiß, während im beleuchteten oberen Drittel Chlorophyll die Blätter grün färbt. Geschmacklich sind sich die beiden Teile zwar weitgehend ähnlich (das weiße ist etwas milder), doch in den grünen Zellen bilden sich deutlich mehr gesunde antioxidative Flavonoide - weswegen das Grün eigentlich der wertvollere Lauchteil ist. In beiden Bereichen passieren bei längerer Garung interessante Veränderungen: Die teilweise heftigen Bitternoten weichen nach und nach freigesetzten Fruchtzuckern, gleichzeitig entwickelt das Dimethylfuran, ebenfalls ein Aromastoff im Hühnerfleisch, deutliche Fleisch- und Schinken-Noten.
Allerdings nutzen wir vor dem Gratinieren eine besondere Eigenschaft des Lauchs, die kaum ein anderes Gemüse aufweist. Beim Grillen oder in der Lagerfeuerglut bilden sich in den äußeren Lauchschichten nämlich geschmacksintensive Würz-Stoffe, die seit vielen Jahrhunderten gern auch in der Form von gemörserter Lauchasche als ausgesprochen schinkig-fleischiges BBQ-Aroma im Gewürzregal stehen kann. Das nutzen wir, indem wir die Stangen zunächst mit etwas Öl bepinseln und unter dem Backofengrill ringsherum Farbe annehmen lassen. Und damit das Lauchgrün bei der Zubereitung nicht grau anläuft, wenden wir den alten Großmuttertrick an und blanchieren die Würfel in basischer Umgebung: ein Teelöffel Backpulver (Natron) im Blanchierwasser erhält die kräftig-grüne Farbe bis zum späteren Saucen-Endprodukt. Die Chemie dahinter ist simpel: Säure in Verbindung mit Garhitze löst das zentrale Magnesium-Ion aus dem Chlorophyll und sorgt für rasches Ergrauen der Pflanzenzellen. In etwas Natronwasser blanchiert (notfalls tut es auch Kochsalz), behält grünes Gemüse dagegen seine Farbe.
Rezept von Peter Wagner / Samstag, 06.04.2019 https://www.spiegel.de/stil/rezept-fuer-lauchgratin-mit-schinken-und-kaese-peter-wagner-a-1261243-2.html